Der kontroversielle Begriff „Heimat“ – ein Disclaimer

Foto: Maria Noi

Wir werden alle irgendwo geboren, wachsen irgendwo auf. Möglicherweise stark verwurzelt an diesem Ort, anderswo oder nirgendwo. 

Es wird viel von „Heimat“ gesprochen – doch: Was bedeutet es für jede*n von uns wirklich, sich „daheim“ zu fühlen? Wie fühlt es sich an, hier schon jahrelang zu leben und gleichzeitig immer (noch) als „fremd“ angesehen zu werden? Oder hingegen seit Generationen am gleichen Hof zu leben? Welches Heimatgefühl entwickeln Menschen, die aufgrund von nicht-binärer Gender-Identität ausgegrenzt werden? Wie wirkt es sich heute noch aus, wenn die eigenen (Groß)-Eltern Nazis bzw. Mitläufer*innen waren? Oder wenn sie einst hier ihr Zuhause hatten und dann fliehen mussten? Wie geht das überhaupt, sich an einem Ort (wieder) zu beheimaten, wenn der Ortswechsel freiwillig oder erzwungen war? Was schätzen wir an altvertrauten Ecken, was an einer neuen Umgebung? Könnten wir auch viele Heimaten gleichzeitig haben? Oder ist „Heimat“ immer da, wo unsere Füße gerade den Boden berühren?

 „Heimat“ ist neben dieser ganz persönlichen Dimension gleichzeitig auch ein politisch belasteter Begriff, der immer wieder gezielt für Propaganda und Ausgrenzung verwendet wurde und wird. Dabei wird oft ein als „Heimat“ bezeichnetes Territorium aufgeladen mit Ideen homogener kollektiver Identität und soll dann gegen reale oder imaginierte Bedrohungen verteidigt werden. 

In diesem Spannungsfeld ist meine Arbeit mit meinen wechselnden Teams angesiedelt.

Wir distanzieren uns von der Verwendung des Begriffs „Heimat“ in einem ausgrenzenden Sinne – und plädieren dafür, diesen Begriff so zu verwenden und zu besetzen, dass „Heimat“ als ein offenes, komplexes, hybrides, verbindendes, prozess- und beziehungsorientiertes Konzept umgedeutet werden kann – anstatt den Begriff komplett zu meiden. Diese Sichtweise würdigt die Tatsache, dass „sich wo zu Hause fühlen können“ ein menschliches Grundbedürfnis ist und gleichzeitig der Verlust dieses Gefühls sowie der Versuch, es (wieder) zu finden – sei es durch Flucht, Migration oder einfach durch einen persönlich motivierten Wohnortwechsel – viele Menschen persönlich beschäftigt. 

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